Tapetenwechsel: Kantonsangestellter steigt aus

Hanni und Ueli Schmid haben für ihren Eisenwarenladen in Gais einen Nachfolger gefunden: Werner Hugener (Roger Fuchs – Tagblatt)

TAPETENWECHSEL ⋅ Werner Hugener hängt den Job beim Kanton Appenzell Innerrhoden an den Nagel und wird Eisenwarenhändler. Der Wechsel gründet auf einer persönlichen Weltanschauung.

ROGER FUCHS – Tagblatt

Eine interessante Aufgabe, sicheres Einkommen, Leitungsposition – das alles hatte Werner Hugener. Doch würde er die verbleibenden 15 Jahre bis zur Pension weitermachen wie bisher, ginge er in der Büroarbeit unter, sagt der ehemalige Leiter des Innerrhoder Amts für Berufsbildung und Berufsberatung. Und so musste er für einmal sein eigener Berater sein. Das Ergebnis: Werner Hugener kehrt zurück zu seinen Wurzeln. Sein Ursprungsberuf ist Elektroinstallateur. Als solcher war er viel unterwegs bei Kunden und erledigte dabei jegliche Servicearbeiten. Später machte er die Meisterprüfung. Je mehr Leitungsaufgaben er inne hatte, desto häufiger sass er im Büro. Vor acht Jahren wechselte er dann zum Amt für Berufsbildung. Ein Grossteil der Arbeitszeit verbrachte er sodann am Computer. Davon hat er sich Ende September gelöst. Er will wieder raus, mit den Händen arbeiten. Per 1. Januar 2018 übernimmt er die Eisenwarenhandlung von Ueli und Hanni Schmid in Gais. Von Werkzeugen bis zur kleinsten Schraube findet die Kundschaft hier alles. «Fast wie ein Tante Emmaladen für Eisenwaren», bringt es Werner Hugener auf den Punkt.

Der Wechsel gründet auch auf einer persönlichen Lebensphilosophie. «Heute wird alles weggeworfen. Ich kann mit dieser Ressourcenverschwendung nicht leben», sagt Werner Hugener. Er wolle einen Beitrag leisten, dass Rohstoffe in guter Qualität erhalten bleiben. Entsprechend wichtig ist denn auch die Werkstatt im Eisenwarenladen. Werner Hugener will diese gut sichtbar im Erdgeschoss einrichten. Dafür wird ein Teil des Verkaufssortiments ins erste Obergeschoss gezügelt. Die bisherigen Maschinen kann der neue Ladenbesitzer übernehmen. Von Ueli Schmid ist zu erfahren, dass sie sich unter anderem auf den Schleifservice spezialisiert und dafür zum Teil sogar eigene Maschinen entwickelt haben. Auch Rasenmäher oder Schneefräsen-Service werden angeboten. Nicht zu vergessen der vollumfängliche Schlüsselservice. «Weil Werner Hugener all das, was meine Frau und ich in den letzten 29 Jahren aufgebaut haben, weiterführen wird, kann ich gut aufhören», sagt Ueli Schmid. Er freue sich für das Dorf, dass der Laden weiterexistiere. Seiner Überzeugung nach ist dies das einzige Eisenwarengeschäft in dieser Art in ganz Appenzell Ausserrhoden. Und schon heute steht fest: Ist Not am Mann, wird Ueli Schmid aushelfen.

Der 52jährige Werner Hugener ist voller Vorfreude auf seine neue Herausforderung. Und er ist überzeugt, dass Läden wie dieser noch lange eine Existenzberechtigung haben. Die Menschen würden früher oder später genug haben vom Einkaufen im Internet. «Den Verlust von persönlichen Kontakten bedauern viele. Deshalb glaube ich an die Zukunft der Dorfläden.» Gleichzeitig appelliert der ehemalige Innerrhoder Berufsberater an die Firmen aus dem Handwerk- und Technikumfeld, dass bei der Gewinnung von Lernenden wieder vermehrt die praktische Seite in den Fokus gerückt wird. Das praktisch Umsetzbare sei es, das am Schluss zähle. «Doch wenn die Entwicklung weitergeht wie bisher, können wir dereinst nur noch beraten, aber nicht mehr machen.» Und damit kommt Hugener wieder auf die Wegwerfgesellschaft zu reden. Geschätzte 80 Prozent der kaputten Maschinen und Geräte liesse sich mit wenigen Handgriffen reparieren. Er bekam diese Fähigkeiten durch seine Lehre, seine weitere Berufslaufbahn, aber auch durch das Aufwachsen auf einem Bauernhof mit auf den Weg.

Original Bericht Tagblatt (18.12.2017) Tapetenwechsel